Autobauer treiben eigene E-Ladenetze voran | Freie Presse

Als größtes Hindernis für den Umstieg auf E-Mobilität gilt der langsame Aufbau der Ladeinfrastruktur. In letzter Zeit hat es einige Fortschritte gegeben – etliche Autohersteller setzen noch auf eigene Lösungen.

Stuttgart.

Der Ausbau des E-Ladenetzes hinkt der wachsenden Zahl von Elektroautos noch hinterher.

Anfang 2021 waren es laut Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) 23. Obwohl die Bundesregierung gegensteuern will, wollen sich einige Autohersteller nicht allein auf die Politik verlassen und treiben die Entwicklung voran die Ladeinfrastruktur selbst. Am Donnerstag kündigte Mercedes-Benz außerdem ein eigenes Netz von 10.000 Ladepunkten weltweit bis zum Ende des Jahrzehnts an. Das Stuttgarter Unternehmen will einen einstelligen Milliardenbetrag investieren.

„Wir wollen nicht zusehen und warten, bis es gebaut ist, also bauen wir selbst ein globales Schnellladenetz auf“, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius. Zum Vergleich: Der amerikanische Autobauer Tesla betreibt nach eigenen Angaben weltweit 40.000 Hochleistungs-Ladestationen – im Vergleich zu Mercedes ist der Großteil davon aber den eigenen Kunden vorbehalten. Bis Ende 2025 will der VW-Konzern mit Partnern weltweit gut 45.000 Schnellladepunkte errichten.

Die Anzahl der Ladestationen ist noch nicht klar

Wie viele Ladepunkte in Deutschland errichtet werden, sagte Mercedes nicht. Aber eines ist klar: Für seine weltweiten Expansionsziele – allein die Bundesregierung will bis 2030 eine Million öffentlich verfügbare Stecker – sind die Pläne der Stuttgarter bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Källenius verschwieg dies im Gespräch mit Journalisten nicht. Vielmehr geht es darum, mehr Mercedes-Kunden zu gewinnen. Sie sollen beispielsweise eine bevorzugte Nutzung durch eine Reservierung in Anspruch nehmen.

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Weitaus größer sind die Ladenetze, die sich die Autokonzerne durch Kooperation gesichert haben. Rund eine Million Ladepunkte stehen Mercedes-Fahrern weltweit zur Verfügung, sagte Källenius. Das Netzwerk Digital Charging Solutions (DCS), das auf eine BMW-Initiative zurückgeht und an dem auch Mercedes und der Mineralölkonzern BP beteiligt sind, hat nach eigenen Angaben über 400.000 Ladepunkte in Europa in Japan. Gemeinsam mit BMW, VW, Ford und Hyundai betreibt Mercedes das Konsortium Ionity, das bisher 480 Schnellladestationen in Deutschland mit einer Ladeleistung von bis zu 350 Kilowatt errichtet hat.

Auch der paneuropäische Autohersteller Stellantis hat 2021 mit dem Aufbau seines Schnellladenetzes in Italien begonnen. Neben dem auf Südeuropa beschränkten Atlante-Projekt gibt es eine Kooperation mit dem Anbieter TheF Charging zum Aufbau eines Netzes mehr als 15.000 Standorte und zwei Millionen Parkplätze bis 2025.

Muss die Industrie die Fehler der Politik ausbügeln?

Hat die Politik den Ausbau der Ladeinfrastruktur in den letzten Jahren also so vernachlässigt, dass die Autoindustrie in Eigeninitiative den einzigen Ausweg sieht? VDA-Präsidentin Hildegard Müller formuliert es so: „Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten sie mittragen und Verantwortung übernehmen.“ Jeder muss seinen Beitrag leisten – und natürlich macht auch die Autoindustrie mit.

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Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass das Ziel der Regierung noch in weiter Ferne liegt. Nach Angaben der Bundesnetzagentur von Anfang November 2022 stieg die Zahl der Ladepunkte innerhalb eines Jahres um rund 17.000 auf insgesamt 72.000. Würde es so weitergehen, wäre das Ziel von einer Million Ladepunkten rein rechnerisch erst im Jahr 2077 erreicht. Um dies zu beschleunigen, hat die Regierung im Oktober einen „Masterplan Ladeinfrastruktur“ beschlossen und will dafür 6,3 Milliarden Euro ausgeben. Zumindest zeigt es laut ADAC, dass sich die Bundesregierung der Herkulesaufgabe bewusst ist.

Der ADAC bewertet das Expansionstempo positiv

Relativ positiv bewertet Bilklubben das Expansionstempo im Jahr 2022. Immerhin habe die Zahl der Ladepunkte im vergangenen Jahr mit der Zahl der neu zugelassenen Elektroautos Schritt gehalten, lobte VDA-Chef Müller. Aber: „Das Angebot müsste die Nachfrage übersteigen, damit das Vertrauen der Menschen in die E-Mobilität weiter wachsen kann.“ Davon ist Deutschland noch weit entfernt. Vor allem die Schnelllader müssen also weiter mit hoher Geschwindigkeit voranschreiten.

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Für Deutschland zählt die Bundesnetzagentur bisher rund 12.000 solcher Stecker, die als Schnellladepunkte mit einer Ladeleistung von über 22 Kilowatt definiert sind. Rund ein Viertel davon erreicht die höchste Leistungsklasse von über 300 Kilowatt. Auch in diese Bereiche will Mercedes mit seiner neuen Infrastruktur vordringen. Ein Akku kann in weniger als einer halben Stunde aufgeladen werden.

So schätzt der Energiekonzern EnBW in Karlsruhe, dass bis 2030 bundesweit rund 130.000 bis 150.000 Schnellladepunkte benötigt werden – und nicht eine Million überwiegend langsamer Normalladepunkte – um die von der Bundesregierung angestrebten 15 Millionen Elektroautos zu versorgen. Rund 30.000 davon will die EnBW selbst bauen. Mit 2.800 Ladepunkten betreibt der Konzern bereits das nach eigenen Angaben größte Schnellladenetz in Deutschland.

Die Ausbauzahlen sind das eine – aber wie steht es mit der Benutzerfreundlichkeit angesichts der Vielzahl an Anbietern? Der ADAC bemängelte, dass ein Elektroautofahrer schnell die Kontrolle verlieren könne. Mal braucht er eine Ladekarte, mal eine App, an dieser Säule zahlt er mit dem Smartphone, an der anderen per Rechnung am Monatsende. Manche Anbieter erheben eine Grundgebühr, manche einen Zuschlag pro Minute nach einer bestimmten Zeit an der Ladestation. Auf dem Weg zur vollelektrischen Mobilität bleibt also noch viel zu tun. (dpa)

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