
Wetter

Wintererzgebirge.
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Berlin (dpa). Wenn der Oktober warm und gut ist, kommt ein strenger Winter. Wenn es nur so einfach wäre, langfristiges Wetter vorherzusagen. Nun stellt sich die Frage, ob im Winter die Energie knapp wird?

Fazit – nicht nur draußen: Angesichts gestiegener Gaspreise wollen viele Bürger in diesem Frühjahr und Winter so wenig wie möglich heizen.
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Herr Holger Hanselka, Vizepräsident Energie von Helmholtz, prognostizierte kürzlich, dass es bei milden Wintern nicht zu Engpässen kommen werde. Welche Phänomene in Mitteleuropa den Winter beeinflussen, wie saisonale Vorhersagen funktionieren und wie (nicht) sicher.
Was beeinflusst den Winter in Mitteleuropa?
Ein „Strauß an Phänomenen“ entscheide über den Winter, sagte der Klimaforscher Klaus Pankatz vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Dabei spielt ein Phänomen in der Stratosphäre über dem Nordpol eine große Rolle: der Polarstrom. Dies kann die Westzirkulation beeinträchtigen, die leichte, feuchte Luft vom Atlantik nach Mitteleuropa transportiert. Ist diese Zirkulation gestört, kann kalte Luft zu uns gelangen.
„Wenn der polare Luftstrom instabil ist – was im Winter regelmäßig vorkommt – stört er die Stabilität der Westzirkulation. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Erkältung“, sagte Pankatz. Gute Nachrichten: „Jetzt ist der Polarwirbel stark und auf absehbare Zeit sehr stabil.“
Darüber hinaus wird die Schneedecke in Sibirien und Zentralasien die nächste Wintersaison beeinflussen. Ein Klimaforscher erklärt: „Die hohe Schneedecke im Frühwinter lässt das Hochdruckgebiet Sibiriens zunehmen. Es könnte sich im Spätwinter weiter nach Westen ausbreiten und in unsere kühleren östlichen Regionen führen.“ In diesem allgemeinen Klima strömt kontinentale Luft von Osten nach Mitteleuropa.
Wie ist die Prognose für die Saison?
Für saisonale Vorhersagen verwenden Computer große Datenmengen, um anhand spezieller Wettermuster mögliche Wetterszenarien zu simulieren. So berechnen sie die Wahrscheinlichkeit, dass die kommende Jahreszeit feuchter, trockener, wärmer oder kälter wird als im langjährigen Mittel.
Dabei werden immer relative Aussagen gemacht und niemals absolute Werte wie bestimmte Temperaturen angegeben. „Die saisonale Wettervorhersage ist eine Wettervorhersage, keine Wettervorhersage“, erklärt DWD-Klimaforscher Andreas Paxian.
Was ist der Unterschied zur Wettervorhersage?
Saisonale Vorhersagen funktionieren mit dem „Gedächtnis“ von langfristigen Prozessen, sagte Pankatz. Die Simulationen der Wissenschaftler beinhalten langfristige, wiederkehrende Klimamuster, die sich über große Gebiete erstrecken. „Bei der Vorhersage des Wetters schaut man sich jeden Tag an, etwa die Höchst- und Tiefsttemperatur. Aber sobald man über den Zeitraum von zehn Tagen bis zwei Wochen hinausgeht, muss man anfangen, im Schnitt zusammenzufassen“, erklärt der Wetterforscher .
Bei der saisonalen Prognose handelt es sich um einen Drei-Monats-Durchschnitt im Vergleich zum Referenzzeitraum. “Auf einer saisonalen Prognoseskala macht es keinen Sinn, jeden Tag zu betrachten.” Und das sei “wichtig für die Botschaft”, betonte Pankatz. „Wenn wir sagen: Im Durchschnitt drei Monate lang tendenziell wärmer, dann kann es in diesem Zeitraum an einzelnen Tagen, Wochen oder gar Monaten kalt werden.“
Welche Informationen werden ausgewertet?
Für saisonale Vorhersagen arbeiten Wissenschaftler mit Erdsystemmodellen. Dazu wird die Erde in eine dreidimensionale Gitterbox eingeteilt, in der die Zustände von Atmosphäre, Ozeanen, Land und Meereis beschrieben werden.
„Ich musste einen globalen Beobachtungspunkt mit einer bestimmten räumlichen Auflösung auf der Höhe der Atmosphäre und der Tiefe des Ozeans haben“, erklärte Paxian. Dabei handelt es sich zum einen um Messdaten und zum anderen um berechnete Werte für jene Teile des Erdsystems, die nicht über Messdaten verfügen. Darüber hinaus fließen Annahmen über atmosphärische Treibhausgaskonzentrationen in die Simulationen ein.
Wie zuverlässig sind die Ergebnisse?
Wissenschaftler haben eine Vielzahl von Werten in ihre Simulationen einfließen lassen, die zum Teil auf Hochrechnungen beruhen. “Offensichtlich gibt es eine Menge Unsicherheit”, sagte Paxian. Kennen Wissenschaftler beispielsweise nur den Bereich, in dem die Anfangswerte liegen, geben sie die Modellrechnungen mit anderen Werten an.
Eine weitere Schwierigkeit: Wir kennen längst nicht alle Prozesse und Zusammenhänge zwischen Atmosphäre, Ozean, Oberfläche und Meereis. Daher sind diese in der aktuellen Simulation nicht enthalten. Zudem können schnelle Rechner bei komplexen Berechnungen an ihre Grenzen stoßen. Paxian folgert: „Die Qualität der Prognose hängt davon ab, welcher Zeitraum, welcher Standort und welche Variablen berücksichtigt werden.“
Und wie ist die aktuelle Saisonprognose?
DWD-Wissenschaftler werten derzeit Daten verschiedener Klimamodelle für Deutschland aus. Dazu berechnen sie die Anzahl der Modelle, die bezogen auf den Bezugszeitraum ein Verhältnis von warmen, normalen oder kalten Ergebnissen aufweisen. Der DWD selbst vergleicht den Zeitraum von 1991 bis 2020, die anderen Modelle beziehen sich auf den weiter zurückliegenden Referenzzeitraum.
Aktueller Stand laut Paxian: „Seit drei Monaten – November, Dezember, Januar – sehen wir einen leichten Trend zu warmen Bedingungen.“
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