
Im Keller von Volker Raumland lagert Sekt, dessen Trauben 2010 geerntet wurden – der aber immer noch nicht fertig ist, denn der Trend geht zu immer besseren Qualitäten. Auch große Unternehmen sind beteiligt.
Wenn Volker Raumland über das Sektmachen spricht, klingt das wie eine Vorlesung in Philosophie. „Ich möchte noch mehr in die Tiefe gehen“, sagt der Winzer in Flörsheim-Dalsheim, einer kleinen Weinbaugemeinde im südlichen Rheinhessen, die gerne „der deutsche Sektpapst“ genannt wird.
Tiefer gehen auch seine beiden Töchter Marie-Luise und Katharina. Im kalten, dunklen Keller ihres Elternhauses untersuchen sie, wie die besten Produkte aus dem Sekthaus entstehen. Raumland hat einen Trend mitgestaltet, der auch von den Marktführern gepflegt wird.
Der Trend zu höherer Qualität habe sich trotz eines „herausfordernden Marktumfelds“ mit den Folgen der Pandemie, Rohstoffknappheit und Inflation fortgesetzt, sagt Andreas Brokemper, Vorstandsvorsitzender von Henkell-Freixenet. Dazu gehören Schaumweine aus Flaschengärung, die traditionell wie in der Champagne hergestellt werden. Damit steige der Umsatz, sagt auch Rotkäppchen-Mumm.
Flaschengärung ist eine Seltenheit
Allerdings ist Sekt aus Flaschengärung noch eine Nische gegenüber dem deutlich günstigeren Sekt aus Großtankgärung. Der Verband Deutscher Sektkellereien schätzt den Anteil am Gesamtumsatz auf weniger als fünf Prozent. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2022 übertraf der Inlandsabsatz aller Schaumweine mit 188 Millionen Flaschen (0,75 l) den Vorjahreszeitraum um 5,1 Prozent.
Traditionell hergestellter Schaumwein braucht viel Zeit – und das richtige Gespür dafür, wann die Trauben für den sogenannten Grundwein geerntet werden. „Wir wollen keine unreifen Trauben ernten, aber wir wollen auch keine vollreifen Trauben ernten“, erklärt Raumland. Vollreife, süße Trauben haben oft zu viel Zucker.
Und dieser wird bei der Gärung in Alkohol umgewandelt. Ziel ist es, möglichst leichte Schaumweine zu produzieren, die auch glasverträglicher bleiben.
„Das kühle Klima begünstigt uns nach wie vor“, sagt Marie-Luise Raumland, die gemeinsam mit ihrer Schwester Katharina den Betrieb führt. “Aber der Klimawandel setzt sich nach Norden fort.”
Die Kohlensäure im Sekt entsteht bei der zweiten Gärung. Auch das ist entscheidend für das Geschmackserlebnis. „Sekt hat bis zu 1.200 verschiedene Aromakomponenten“, erklärt Önologe (Weinforscher) Matthias Schmitt von der Hochschule Geisenheim im Rheingau. Sie werden durch die Eigenschaften der Rebsorte geprägt, entstehen aber auch beim Abbau der Hefe, die Zucker in Alkohol umwandelt. – Außerdem laufen bei der Sektreifung in einem tiefen, kühlen Keller weinchemische Prozesse ab, die auch das Aroma verändern, sagt Schmitt.
Wenn zum Jahreswechsel in vielen Häusern die Sektkorken fallen, ruht noch der Grundwein der Region 2022. Im neuen Jahr wird er für eine zweite Gärung abgefüllt, die mindestens drei Jahre dauert. „Aber wir geben der Hefe oft zehn Jahre und mehr Zeit, um ihren Job zu machen“, erklärt der Winzer.
Volker Raumland interessiert sich besonders für einen Sekt, dessen Trauben 2010 geerntet wurden. „Ich hatte immer das Gefühl, dass er noch nicht so weit ist. Er entwickelt sich, wir wollen ihn hinter uns lassen.“ (dpa)