Künstliche Intelligenz: Verschläft Deutschland die KI-Entwicklung?


Analyse

Stand: 31.01.2023 13:06

Deutschland hinkt bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz hinterher – und bleibt hier möglicherweise von den USA abhängig. Ein Problem: Es fehlt an großen Rechenzentren – und an Investitionen. Hat die Ampel eine Strategie?

Von Kirsten Girshik, ARD-Hauptstadtstudio

In letzter Zeit hat ChatGPT, eine Sprachsoftware für künstliche Intelligenz, viel Aufsehen erregt. Jeder kann einfach einen Chatbot ausprobieren. Geben Sie eine Frage ein – erhalten Sie eine Antwort, die menschlich klingt. Geben Sie eine Aufgabenstellung – zum Beispiel: Schreiben Sie einen Kurs über den Dreißigjährigen Krieg – und erhalten Sie einen fertigen Text. Im Bildungssektor hat eine Diskussion über die Verwendung von ChatGPT begonnen. Dämonisieren oder ins Lehren und Lernen integrieren?

Kirsten Girczyk

Die Basis des Programms ist GPT3 – das bedeutet „Generativer vorgefertigter Transformator 3“. Gebaut von der amerikanischen Firma Open AI und trainiert mit einer unglaublichen Menge an Daten – GPT3 hat mehr als 175 Milliarden Parameter. All dies basiert auf amerikanischer Rechenleistung, aus den USA verfügbaren Daten und amerikanischer (dh aus europäischer Sicht oft sehr schwacher) Regulierung.

An einer Bremer Schule wird eine umstrittene Chatbot-Software getestet

Nico Schleicher, Radio Bremen, Morgenmagazin, 31.01.2023

Bleibt Deutschland?

Derzeit werden 73 Prozent der großen KI-Modelle in den USA und 15 Prozent in China entwickelt. Angesichts dieser Entwicklung befürchten Digitalexperten, dass die Digitalwirtschaft in Deutschland und Europa weiter hinterherhinken könnte. Denn Europa hat viel Know-how, wenn es um künstliche Intelligenz geht. Allerdings begrenzt die Verfügbarkeit von Rechenleistung derzeit die weitere Entwicklung.

Allein in den USA will Microsoft zehn Milliarden Dollar allein in Open AI investieren. Bei einem Entwicklungsteam von etwa 400 Leuten fließt das meiste Geld in Rechenleistung, erklärt Dominik Rehse vom Europäischen Zentrum für Wirtschaftsforschung. Dagegen werden die für Deutschland bis 2025 geplanten drei Milliarden Euro staatlicher Förderung für Künstliche Intelligenz in viele kleinere Maßnahmen aufgeteilt. Seit der ersten Konzeption der KI-Strategie im Jahr 2018 – und einem Update im Jahr 2020 – war die KI-Entwicklung so schnell, dass Deutschland beim Aufbau der notwendigen Rechenleistungsinfrastruktur hinterherhinkt.

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Eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie hat nun untersucht, wie Deutschland aufholen könnte: die sog LEAM-Machbarkeitsstudie. LEAM steht für „Large European AI Models“, eine Initiative des KI-Bundesverbandes. Er argumentiert, dass, wenn Deutschland diese Basistechnologie nicht eigenständig entwickeln und bereitstellen kann, die deutsche Industrie auf ausländische Dienstleistungen zurückgreifen muss. Mit allen Schwierigkeiten, die sich in Bezug auf Datenschutz, Datensicherheit und den ethischen Einsatz von KI-Modellen ergeben.

Es fehlt an Rechenleistung

Die Marktdominanz von US-Unternehmen bei Suchmaschinen, Social Media und Cloud-Servern zeigt bereits die Schwierigkeiten, die bei Datensicherheit und Regulierung auftreten können. Im Fall der künstlichen Intelligenz können sich diese Probleme vervielfachen. Gerade kleine IT-Unternehmen sollten bestehende Angebote nutzen, um eigene Anwendungen zu entwickeln. Sie geraten in ein Dilemma, wenn es keine deutschen oder europäischen KI-Modelle gibt, die bereits europäische Datenschutz- oder Nichtdiskriminierungsstandards erfüllen. Zudem verfügen sie oft nicht über eigene Rechenkapazitäten, um ihre Anwendungen mit großen Datenmengen vorzubereiten.

Das Problem: Deutsche Unternehmen haben keine Giganten wie Microsoft oder Google, die Hardware-Milliarden investieren können. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sei der Zugang zu KI-Infrastruktur ein riesiger Hebel für die digitale Souveränität insgesamt, erklärt Oliver Grune vom Bundesverband IT-Mittelstand. Nur so können die Vereinigten Staaten und China eingeholt werden. Nach Expertenmeinung sind das aktuell anderthalb Jahre – in der IT-Branche eine Ewigkeit.

Der Hochleistungsrechner zur Berechnung der neuronalen Netze steht im Höchstleistungsrechenzentrum in Stuttgart.

Bild: dpa

Rufen Sie den Großrechner an

Deshalb fordert die LEAM-Initiative den Aufbau einer KI-Supercomputing-Infrastruktur in Deutschland. Für etwa 400 Millionen Euro kann ein Rechenzentrum entstehen, das nicht nur für die Entwicklung und das Training großer Modelle der künstlichen Intelligenz, sondern auch für das Rechnen kleiner Unternehmen genutzt werden kann. Die Initiative betont, dass es sich nicht ausschließlich um öffentliche Gelder handeln soll, hofft aber, dass der Bund hier die Initiative ergreift.

Darauf angesprochen nannte das Wirtschaftsministerium den Aufbau einer europäischen Infrastruktur, die verlässliche und transparente Open-Source-Fondsmodelle entwickelt, als geeignete Maßnahme. Deshalb hat sich LEAM im Rahmen des Leuchtturm-Events „KIKStart“ mit digitaler Strategie beschäftigt. Wer es dort liest, wird allerdings nur vage erfahren, dass die Bundesregierung auch im Mittelstand Servicezentren für Künstliche Intelligenz für den größeren Einsatz schaffen will. Über den Bau oder die Finanzierung eines großen Rechenzentrums ist in der Digitalen Strategie bisher nichts zu finden.

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Dominik Rehe vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsstudien hält es für notwendig, mehr finanzielle Ressourcen zu bündeln. Zu diesem Zeitpunkt war es auch notwendig, einen “Boom” zu installieren. Man kann nicht nur herumsitzen und über KI mit europäischen Werten reden, man muss sie technisch möglich machen.

KI-Modelle auf Basis des europäischen Datenschutzes

Künstliche Intelligenz muss auf mehrere Datensätze trainiert werden. Viele Experten sagen, dass die eher restriktive Datenverarbeitung in Deutschland und Europa an sich kein Nachteil ist. Denn wenn gezielt neue KI-Modelle auf Basis des europäischen Datenschutzes und der europäischen Regularien entwickelt werden, können Nutzer sicher sein, dass sie in einem rechtssicheren Rahmen arbeiten. Und ihre Daten fließen nicht in die USA oder andere Länder. Allerdings – so warnt Digitalminister Volker Wissing – sollte die Regulierung auf EU-Ebene nicht so restriktiv sein, dass sie Innovationen behindert.

Im Sommer soll die KI-Regulierung auf europäischer Ebene fertig sein. Es soll dafür sorgen, dass KI-Anwendungen bestimmten Regeln folgen und Missbrauch erschweren. So sollen beispielsweise „Social Points“, wie sie in China verwendet werden, ausgenommen werden. Algorithmen sollen diskriminierungsfrei agieren und möglichst viele Bedrohungen der Bürgerrechte beseitigen, etwa durch ein Verbot der Gesichtserkennung im öffentlichen Raum.

Wie streng soll die Regulierung sein?

An dieser Stelle sind die Digitalpolitiker im Bundestag gespalten. Ronja Kamer von der CDU argumentiert beispielsweise, dass die Regulierung nicht so streng sein sollte, dass sie Innovationen erstickt und dass neue KI-Modelle nur im Ausland entwickelt werden können. Anke Domscheit-Berg von der Linkspartei hingegen befürchtet, die Bundesregierung könnte sich für eine lockerere Regulierung einsetzen – und dann Gesichtserkennung im öffentlichen Raum zulassen.

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Die Vorsitzende des Digitalausschusses, Tabea Rosner von den Grünen, plädiert dafür, konsequent vorzugehen, statt Grundrechte und Risikobewertungen zu ignorieren. Zudem schafft es Rechtssicherheit für Anbieter. Die großen Suchplattformen zum Beispiel haben ihre Algorithmen nicht reguliert, sodass nicht transparent ist, wer welche Inhalte bekommt. Dies führte auch zur heutigen Dominanz großer amerikanischer Unternehmen. Und wenn Sie nach Mainframes fragen, sollten Sie auch die Nachhaltigkeit im Auge behalten – zum Beispiel die Energieeffizienz von Rechenzentren.

In einem sind sich drei Digitalpolitiker einig: Dieses Jahr soll das Jahr der Umsetzung werden. Die Bundesregierung sollte der Digitalisierung mehr Aufmerksamkeit schenken und auf künstliche Intelligenz setzen.

ChatGPT

Die Entwicklung großer Modelle künstlicher Intelligenz hat sich in letzter Zeit rasant entwickelt. Das derzeit bekannteste Beispiel ist wohl GPT3, ein großes Sprachmodell des amerikanischen KI-Labors Open AI. Chat GPT ist eine Version, die Sie derzeit (noch) kostenlos ausprobieren können. Das Sprachmodell liefert auch auf komplexe Fragestellungen sehr schnell Antworten und produziert Texte, die dem von Menschen geschriebenen sehr nahe kommen.

GPT3 wurde auf große Datenmengen trainiert – und bietet als sogenanntes Foundational Model die Möglichkeit, KI mit relativ geringem Mehraufwand auf eine Vielzahl von Anwendungen und Aufgaben anzuwenden. Beispielsweise kann ein Sprachmodell mit relativ geringem Aufwand für einen Chatbot einer Versicherung genutzt werden, da dieser nur auf die spezifischen Versicherungsanforderungen trainiert werden muss.

Im Gegensatz dazu wurden bisherige neuronale KI-Modelle immer auf eine bestimmte Anwendung zugeschnitten und trainiert. Modelle wie GPT3 – „Generative Pretrained Transformer 3“ bieten hingegen die Möglichkeit, viele unterschiedliche Anwendungen der künstlichen Intelligenz zukünftig im praktisch industriellen Maßstab einzusetzen.

Daher sind Gründungsmodelle ein großer Schritt nach vorn in der Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Wissenschaftler hoffen, dass Modelle in relativ kurzer Zeit über bisher unvorstellbare Fähigkeiten verfügen und den Menschen in vielen Aufgaben wie der Analyse von Geschäftsdaten übertreffen können. Aber die Entwicklung solcher Modelle erfordert viele Trainingsdaten und viel Rechenleistung. GPT3 hat 175 Milliarden Parameter, der Nachfolger GPT4 soll ein Vielfaches davon haben.



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