Unternehmen in Energiekrise: „Kann der K. o. für den Standort Deutschland sein“

Deutschland Energiekrise

“Die Regierung akzeptiert bereitwillig die Deindustrialisierung”

Luftaufnahme des Industriegebiets / Kraftwerks bei Nacht - Stock-Foto Luftaufnahme des Industriegebiets / Kraftwerks bei Nacht - Stock-Foto

Der Hamburger Hafen ist eine wichtige Drehscheibe für den deutschen Export

Quelle: Getty Images/Carl Hendon

Die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist in besonderem Maße von den hohen Energiepreisen betroffen. Branchenvertreter befürchten, dass viele Unternehmen umziehen werden. Die Politik müsse gegensteuern – sonst werde Deutschland „unachtsam auf eine gefährliche Wende zugeeilt“.

vAufgrund der aktuellen Krisensituation warnen Vertreter der deutschen Wirtschaft vor einer massiven Schwächung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Koalitions- und Oppositionspolitiker sind besorgt und fordern oder kündigen bei WELT AM SONNTAG weitreichende Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft an.

„Hohe Energiepreise und eine schwächelnde Konjunktur treffen die deutsche Wirtschaft hart und belasten unsere Unternehmen im Vergleich zu anderen internationalen Standorten stark. Das deutsche Geschäftsmodell steht unter enormem Druck“, sagte Tanya Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Aktuell “erwägt jedes vierte deutsche Unternehmen, die Produktion ins Ausland zu verlagern.”

Lesen Sie auch

Die Papierindustrie: Auf dem Weg zur klimaneutralen Gesellschaft

Mehr Unternehmensunterstützung?

Viele Unternehmen leiden unter hohen Energiepreisen durch den russischen Einmarsch in die Ukraine, Unterbrechungen der Versorgungsnetze oder Einschränkungen durch Chinas harten Kampf gegen die Corona-Pandemie. Als weiteres großes Risiko wird die Entscheidung der US-Regierung zur Inflationsbekämpfung gesehen, die unter anderem milliardenschwere Subventionen für neue Technologien und den nachhaltigen Ausbau der amerikanischen Industrie umfasst.

Deutschlands energieintensive und exportorientierte chemische Industrie ist von den aktuellen Turbulenzen besonders hart getroffen. „Die brutalen Energiepreise machen uns kaputt. Wir haben große Sorge, dass der Doppelboom unser Unternehmen nicht erreicht“, sagt Wolfgang Grosse Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI).

„Ohne wirksame Preisbremse nimmt die Regierung die Deindustrialisierung bereitwillig in Kauf.“ Wenn die chemische Industrie zusammenbricht, werden auch andere Sektoren zusammenbrechen. „Für den Standort Deutschland könnte das ein K.O.-Kot sein“, warnte Große Entrup. Arbeitgeberpräsident Rainer Dülger fordert „mehr Dynamik und Agilität, mehr unternehmerische Freiheit und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Deutschland sollte befreit und nicht politisch gebunden sein“, sagte Dulger. Andernfalls wird Deutschland glatt auf eine gefährliche Wende zusteuern.

Wahrscheinlicher ist eine leichte Rezession

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft verbesserte sich im November unerwartet deutlich. Die Rezession dürfte weniger tief ausfallen als von vielen erwartet.

Ampelbündnis und Gewerkschaftspolitiker sind sich der wachsenden Bedrohungen zunehmend bewusst. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht gleichzeitig die Unternehmen deliquidieren, in die wir voraussichtlich investieren werden, und zumindest einige von ihnen gehen.“ Aber das machen wir jetzt“, sagte FDP-Vizevorsitzender und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki im Gespräch mit WELT AM SONNTAG. „Beispiel: Selbst wenn wir weit genug in den März hinein stünden, damit die Preisbremsen greifen, würde das für die Unternehmen bedeuten, dass sie im Januar und Februar Liquiditätsstörungen in nicht zu unterschätzender Größenordnung in Kauf nehmen müssten. Wenn gleichzeitig das Lieferkettengesetz und andere Regulierungen den bürokratischen Aufwand erhöhen und die Inflation hoch bleibt, „dann ist das ein sehr gefährliches Szenario, das unsere Unternehmen und den Mittelstand in eine schwere Krise stürzen könnte“, sagt Kubicki.

Lesen Sie auch

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will den Plan seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) umsetzen.

Die SPD war zuletzt durch den „De-Inflation Act“ der US-Regierung alarmiert. Das Gesetz sieht 386 Milliarden US-Dollar an Steuergutschriften und Anreizen vor, um unter anderem die US-Industrie anzukurbeln und Unternehmen zu ermutigen, in erneuerbare Technologien zu investieren. „Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, müssen wir kämpfen“, sagte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. „Wir brauchen massive Investitionen und eine aggressive Siedlungspolitik. Außerdem müssen unsere Genehmigungsprozesse schneller, einfacher und pragmatischer werden.“

Das von Robert Habeck (Grüne) geführte Wirtschaftsministerium warnt angesichts der US-Entscheidung vor einem Subventionswettlauf. „Wir müssen unsere eigene europäische Antwort finden, die unsere Stärken hervorhebt“, sagte das Ministerium. Neben Fördermitteln seien “jetzt Strukturreformen notwendig, die vor allem Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen und Bürokratie abbauen”. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn fordert einen Drei-Punkte-Plan: Einführung von vergünstigtem Industriestrom, Förderung heimischer Schlüsselindustrien und Abschluss neuer Handelsabkommen.

Hier können Sie sich unsere WELT-Podcasts anhören

Zur Anzeige der eingebetteten Inhalte ist Ihre widerrufliche Einwilligung zur Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung benötigen. [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem Sie den Schalter auf „on“ stellen, erklären Sie sich damit einverstanden (jederzeit widerrufbar). Dies umfasst auch Ihre Zustimmung zur Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten an Drittländer, einschließlich der USA, gemäß Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO. Sie können weitere Informationen darüber erhalten. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit über den Schalter und Datenschutz unten auf der Seite widerrufen.

„Kick-off Politics“ ist der tägliche News-Podcast der WELT. Die wichtigsten Themen und Termine des Tages analysiert von der WELT-Redaktion. Abonnieren Sie den Podcast unter anderem bei Spotify, Apple Podcasts, Amazon Music oder direkt über den RSS-Feed.

Source

Auch Lesen :  Wirtschaftsexperten fordern höhere Reichensteuer in Deutschland

Leave a Reply

Your email address will not be published.

In Verbindung stehende Artikel

Back to top button